In diesem Artikel erklären wir, wie Sie Channel-Silos auflösen und Themen wieder kanalübergreifend ausspielen können.
Unbestritten: Die Digitalisierung unserer Kommunikation hat unser Leben grundlegend verändert. Und zwar so sehr, dass wir uns dem Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen zufolge nun in einer redaktionellen Gesellschaft befinden: Jeder von uns ist nicht mehr nur Empfänger von Botschaften, sondern wird selbst zum Sender. Unternehmen haben das in den vergangenen Jahrzehnten intensiv zu nutzen gewusst, haben Websites ausgebaut, Blogs installiert, Newsletter verschickt, Podcasts produziert und natürlich Profile bei Twitter, Facebook, LinkedIn, Instagram oder TikTok angelegt.
Jeder einzelne dieser Kanäle hat seine Eigenheiten – bezüglich technischer Features, den Möglichkeiten zur Aufbereitung und Bewerbung von Inhalten, aber natürlich auch im Hinblick auf die spezifischen Interessen der jeweiligen Nutzer. Beherrscht wird diese Komplexität oft von Channelmanager*innen – Experten und Expertinnen, die oft mit großer Leidenschaft dafür sorgen, dass „ihre“ Kanäle performen. Mit anderen Worten: Menschen, die dafür sorgen, dass die Kommunikationsmaschine schnurrt.
Allerdings sind im Zuge dieser Spezialisierung in vielen Kommunikations- und Marketingabteilungen ganz leise und unbemerkt kleine Silos entstanden: Digital- (und auch gelegentlich Print-)Teams, die manchmal dazu neigen, ein prozessuales Eigenleben zu entwickeln und eigene Themen zu setzen.
Ein Kunde schilderte uns seine Situation beispielhaft so: Ein Pressesprecher hat von einer neuen Lösung gehört, die das Unternehmen nun anbietet. In der Themenkonferenz stellt er das Thema vor. Die Kommunikationschefin will das Thema. Mehrere Channel-Verantwortliche finden, das Thema passe auch grundsätzlich zu ihrem Kanal. Aber dann: Beginnen alle Channel-Manager gleichzeitig, an dem Thema zu arbeiten – schließlich wisse man ja nur selbst, wie die Geschichte für den jeweiligen Kanal gehen müsse.
Der Kunde ergänzte: Die Situation führe dann auch dazu, dass alle Channel-Manager*innen noch mal für ihren Kanal nachrecherchierten – und dass im Zweifelsfall der entsprechende Experte im Unternehmen von allen Channel-Manager*innen einzeln angerufen werde. Effizienz und klare Orchestrierung von Kommunikation sieht anders aus.
Eine andere Kundin, ein großes Versicherungsunternehmen, hatte eine ähnliche Situation: Sie hatte zwar erfahrene Themen-Manager*innen, doch hatten diese keinerlei Durchgriffsmöglichkeiten auf die Kanäle. „Ich lege unseren Channel-Manager*innen die Themen nur ins Schaufenster“, sagte uns der leitende Themenmanager. „Kaufen müssen sie dann selbst.“
Im besten Fall enden solche Situationen unkritisch, weil sich die Leitenden dann doch auf die Professionalität und das richtige Themen-Gespür ihrer Mitarbeitenden verlassen können – im schlimmsten Fall allerdings drohen latenter Steuerungsverlust und permanente Ineffizienz die Kommunikation auszubremsen. Leitsprüche wie „Inhalte first“ oder „Form follows function“ verlieren unter solchen Umständen an Glaubwürdigkeit.
Es ist ein schmaler Grat zwischen Kanal-Expertise und notwendiger Themen-Steuerung. Denn verständlicherweise wollen Channel-Manager*innen auch nicht zu einfachen Befehlsempfängern und Themen-Umsetzern degradiert werden. Glücklicherweise lassen sich solche Situationen lösen, ohne dass Themen- bzw. Channel-Owner*innen den Kürzeren ziehen müssen.
Im Folgenden geben wir Ihnen 5 Tipps, wie sich die Balance zwischen Kanal-Performance und Agenda-Setting wieder herstellen lässt.
Tipp 1:
Entwickeln Sie eine Themenarchitektur. Idealerweise ist diese abgeleitet aus der Kommunikationsstrategie Ihres Unternehmens. Sollte es an diesem strategischen Überbau fehlen: Arbeiten Sie selbst mit Ihrem Team gemeinsam an inhaltlichen Schwerpunkten (manche nennen sie auch Fokus-, Leit- oder Prio-Themen) und verpflichten Sie Themen-Owner*innen wie Channel-Manager*innen auf diese Schwerpunkte. Sie geben Orientierung und Verbindlichkeit, einmal gesetzt muss in Redaktionskonferenzen bei diesen Themen nicht mehr über das „Ob“ sondern nur noch über das „Wie“ diskutiert werden.
Tipp 2:
Kümmern Sie sich um eine Content- und Kanalstrategie. Helfen Sie Ihren Channel-Manager*innen dabei, einen genaueren Blick auf die Nutzer der Kanäle sowie ihre Interessen zu werfen. Aus der Schnittmenge dieser Nutzer-Erkenntnisse und der Kommunikationsziele des Unternehmens definiert die Content- und Kanalstrategie Themen und Formate-Gattungen, die zu diesen Kanälen gut passen.
Tipp 3:
Denken Sie an Daten und Ziele! Ob Sie eine Content- und Kanalstrategie haben oder bei den Inhalten lieber improvisieren wollen – wenn Sie (bzw. Ihre Channel-Manager*innen) dabei keine Daten auswerten, bleibt Ihre Kommunikationsarbeit ein großes Rätselraten. Und wenn Sie für Ihr Team und für die einzelnen Kanäle keine konkreten KPIs vereinbaren, haben weder Sie noch Ihre Kanal-Fachleute einen Überblick darüber, wie gut einzelne Themen und ihre Arbeit insgesamt performen. Entwickeln Sie eine KPI-Systematik, die Ihnen kanalübergreifend anzeigt, wie gut Ihr Team insgesamt auf die Kommunikationsziele einzahlt.
Tipp 4:
Abgesehen von den strategischen Grundlagen: Etablieren Sie einen starken Prozess von der Idee bis zur Ausspielung. Wie und von wo kommt ein Thema in Ihren Newsroom oder Ihre Themenkonferenz? Auf Basis welcher Kriterien wird es dann ggf. priorisiert? Was bedeutet ein priorisiertes Thema für die Kanäle? Wie genau beteiligen sich die Channel-Manager*innen an der Auswahl und der Ausgestaltung der Themen? Was brauchen sie von Anfang an von Themen-Owner*innen wie Pressesprecher*innen etc., um aus deren Informationen möglichst effizient Content erstellen zu können. Wer hat bei der Themengestaltung das letzte Wort und wer entscheidet im Konfliktfall? Wichtig: Bei dieser Prozess-Gestaltung sollten sich alle aktiv einbringen.
Tipp 5:
Lassen Sie Freiräume. In einer Themenkonferenz legen Sie in einem Redaktionsplan fest, welches Thema in welchem groben Zeitrahmen auf welchem Kanal ausgespielt wird. Jetzt können Ihre Channel-Manager*innen aktiv und kreativ werden und für ihren Kanal eine Ausspielplanung anlegen, in die Sie sich nicht mehr einmischen müssen, solange dort die wichtigen Themen gesetzt sind.
Tipp 6:
Bleiben Sie am Ball! Wenn Sie Themen, Ziele und Prozess einmal gemeinsam gesetzt haben, müssen Sie nachhaltig beweisen, dass Sie sich auch in Zukunft darum kümmern werden. Leiten Sie aktiv die Themen-Runden, sprechen Sie regelmäßig mit den Channel-Manager*innen darüber, was gut auf den Kanälen performt hat und woran man noch arbeiten muss. Terminieren Sie Retros und sprechen Sie in festen Abständen im Team darüber, wie man die Prozesse noch weiter schärfen kann. Eine Veränderung ist manchmal ein zähes, aufwändiges Projekt: Es zahlt sich aus, wenn Sie einen langen Atem haben.